19.06.2009

Pulverfass Milch

Das Netzwerk ?campact? hat am Donnerstag für einen Milchsee vor dem Auswärtigen Amt in Berlin gesorgt. Eine Landeswirtschaftsministerin Aigner aus Pappmaschee ließ einen Container auf eine Reihe Milchkannen herab. Aus den umfallenden Kannen floß die weiße Flüssigkeit, die immer wieder Anlass zum politischen Streit gibt. Der Container symbolisierte die Milchexportsubventionen, welche nebenan auf dem ersten Außenwirtschaftstag der Agrar- und Ernährungswirtschaft gefeiert wurden. Das Landwirtschaftsministerium hatte die Unternehmen der Branche eingeladen, ?das Instrumentarium der deutschen Außenwirtschaftsförderung besser kennenzulernen?.


Mehrere entwicklungs- und umweltpolitische Verbände wandten sich öffentlich gegen diese Exportoffensive. Die hochsubventionierte Milch aus Großbetrieben gelange zu Dumping-Preisen auf den Weltmarkt. ?Die Milchpreise in Europa liegen 50 Prozent unter den Produktionskosten?, sagte Marita Wiggerthale von Oxfam. Das billige Milchpulver aus Europa verdränge Molkereien in Entwicklungsländern, die die Frischmilch der örtlichen Bauern verarbeiteten. Wiggerthale nannte ?Nordmilch? und ?FrieslandCampina? als Produzenten, die an Afrika Milchpulver liefern. In Kamerun ging jüngst die von ?Brot für die Welt? unterstützte kleine Molkerei ?Sotramilk? unter, weil die größte Molkerei des Landes (?Camlait?) mit importiertem Milchpulver die Preise zu sehr gedrückt hatte.

Rückenwind erhielten die Aktivisten von deutschen Bio- und Kleinbauern, welche sich im Nachteil gegenüber den landwirtschaftlichen Großbetrieben sehen. Erst am Mittwoch wurde öffentlich, wer von den EU-Agrarsubventionen am meisten profitiert: Großunternehmen wie die Südzucker AG, der Kartoffelstärkeproduzent Emsland Stärke und der Zuckerhändler August Töpfer & Co. Auf Druck der Europäischen Kommission musste die Bundesregierung diese Zahlen offenlegen, wobei Bayern dieser Pflicht immer noch nicht nachgekommen ist und keine Top-10-Listen herausgegeben wurden.

Milchbauer Bernd Voß forderte, dass die staatliche Unterstützung an soziale und ökologische Kriterien geknüpft und die in Brüssel festgelegte Milchmenge gesenkt werde. Außerdem sollen nach dem Willen von ?Brot für die Welt?, ?Germanwatch?, ?eed? und den anderen am Protest beteiligten Gruppen, Kleinbauer in Entwicklungsländern gefördert werden.

Aigners Staatssekretär Gerd Müller hatte sich bereit erklärt, mit der kleinen Gruppe protestierender Bürger zu diskutieren. Er ließ geschlagene anderthalb Stunden auf sich warten und schob dann die Hauptschuld an Dumping-Milch-Preisen auf den Einzelhandel. ?Lediglich 0,3 Prozent der Agrarexporte sind subventioniert. Keine Milchexporte machen Märkte in Drittländern kaputt.? Das mache er daran aus, dass sich kein Entwicklungsland bisher beschwert hätte. Außerdem könnten Entwicklungsländer Zölle erheben, wenn ihnen die Preise der europäischen Güter zu gering seien, meinte Müller. Sollte das ein Aufruf zum Protektionismus sein? Mehrmals tönte aus der umstehenden Menge die Frage, weshalb die Agrarexportsubventionen nicht ganz abgeschafft würden, wenn sie so unerheblich seien, wie der Staatssekretär es darstellte. Er gab keine Antwort.

 

von Anita Demuth

 

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