21.07.2010

Deutschland und die EU lassen Arme im Kampf gegen Aids im Stich

Jeder, der die rote Aids-Schleife sieht, weiß worum es geht: Sie ist weltweit das Symbol für Mitmenschlichkeit, Trauer und Solidarität. Während der Internationalen Aids Konferenz (IAC) in Wien zeichnet sich ab, dass die Bedeutung dieses Symbols noch nicht überall angekommen ist. Das Aktionsbündnis gegen Aids hat im Vorfeld der Konferenz eine Studie herausgebracht, die zeigt: Die Finanzierungsbeiträge Deutschlands reichen nicht aus, um die Ausbreitung von HIV/Aids bis 2015 zum Stillstand zu bringen (MDG 6). Nun will die Bundesregierung die deutschen Beiträge für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria noch weiter kürzen. Gleichzeitig erschwert die Handelspolitik der EU den Zugang zu lebenswichtigen Aids-Medikamenten.


Das Jahr 2010 ist im Kampf gegen Aids ein bedeutender Meilenstein: Auf dem Millenniumsgipfel hat die internationale Staatengemeinschaft versprochen den universellen Zugang zu HIV-Prävention, -Pflege und Behandlung bis 2010 sicherzustellen. Eine aktuelle Studie des Aktionsbündnis gegen Aids zeigt jedoch: Die bisherigen Ausgaben der staatlichen Entwicklungshilfe (ODA, Official development assistance) reichen bei weitem nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen. Damit ist auch das Teilziel von MDG 6 in Gefahr, bis 2015 eine Trendwende zu erreichen und die Ausbreitung von Aids zum Stillstand zu bringen.

Im Mittelpunkt der Studie stehen die Mittel, die Deutschland für die Gesundheitsförderung sowie für spezifische HIV-Maßnahmen ausgibt. Um beispielsweise den ODA-Beitrag zu erreichen, der die Verwirklichung des allgemeinen Zugangs zu HIV-Diensten unterstützt, müssten in Relation zu dem Beitragsniveau von 2008 fast zweieinhalb Milliarden Euro an zusätzlichen ODA-Mitteln in die Gesundheitsförderung fließen. Mittel, die in dem knappen Entwicklungsetat der Bundesrepublik auch im kommenden Jahr nicht vorgesehen sind.

Auf der internationalen Aids-Konferenz in Wien schweigt sich die Bundesregierung zudem darüber aus, wie hoch ihre künftigen Beiträge ab 2012 für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria ausfallen werden. Lediglich für 2011 hat Deutschland nochmals 200 Millionen Euro angekündigt. „Der Globale Fonds ist ein besonders wichtiger Finanzierungsmechanismus zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria“, erklärt Astrid Berner-Rodoreda, HIV-Expertin von Brot für die Welt, „durch ihn haben bisher bisher 2,8 Millionen Menschen Zugang zu antiretroviraler Behandlung bekommen.“ Inzwischen geht man davon aus, dass weltweit 15 Millionen Menschen die lebenserhaltenden Medikamente benötigen. Um die Behandlung der Aids-Kranken zu gewährleisten, muss das Budget des Fonds mindestens um 30 Prozent steigen.

„Sollte die Bundesregierung die Mittel für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria wirklich kürzen, stehen hunderttausende Menschenleben auf dem Spiel“, erklärt Dr. Renée Ernst von der UN-Millenniumkampagne, „Präventionsmaßnahmen und Behandlungen von Aids-Patienten müssten aufgrund mangelnder Finanzierung einfach gestrichen werden.“ Um die Umsetzung der Millenniumsziele nicht zu gefährden, müsse die Ausbreitung der Krankheit unbedingt gestoppt werden. Es sei deswegen sehr wichtig, dass jeder Aids-Patient Zugang zu den überlebenswichtigen Aids-Medikamenten erhalte.

Doch neben der Bereitstellung von finanziellen Mitteln existieren strukturelle Barrieren, die eine optimale Bekämpfung der gefährlichen Krankheit verhindern. So gefährdet beispielsweise das geplante EU-Indien-Freihandelsabkommen (EIF) die Versorgung  ärmerer Aids-Patienten mit bezahlbaren Medikamenten: „Die EU fordert von Indien die Ausweitung von Urheberrechten und Patenten im pharmazeutischen Bereich“, erklärt Ernst, „die komplexen Regelungen würden jedoch die Zulassung und Herstellung indischer Nachahmer-Medikamente (Generika) erheblich erschweren und somit vielen Menschen den Zugang zu der lebensrettenden Medizin verwehren.“ Derzeit werden Millionen HIV/Aids-Patienten mit antiretroviralen Medikamenten versorgt, die auf dem Subkontinent hergestellt werden: 92 Prozent der in Entwicklungsländern verwendeten Präparate kommen dabei aus Indien.

Auch  Ärzte ohne Grenzen wiesen kürzlich in einem offenen Brief an das Wirtschaftsministerium darauf hin, dass die Produktion dieser Generika durch das neue Freihandelsabkommen gefährdet wird. „Es ist skandalös, dass die EU vornehmlich die Interessen der Pharmaunternehmen vertritt, statt sich für das Erreichen der Entwicklungsziele einzusetzen“, erklärt Ernst. Es sei von zentraler Bedeutung, dass die Geberländer in Kooperation mit Pharmaunternehmen dafür sorgen, dass die Ärmsten Zugang zu preiswerten Medikamenten bekommen.



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