29.09.2010

Hohe Lebensmittelpreise, niedrige Löhne

Der neue Trade and Development Report 2010 (TDR 2010), den die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) Mitte des Monats veröffentlicht hat, zeigt: Viele Länder sind inzwischen übermäßig vom Export abhängig. Damit der Agrarsektor auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig bleibt, kommt es verstärkt zu Lohndumping in den Entwicklungsländern. Gleichzeitig treiben Missernten und das globale Bevölkerungswachstum die Lebensmittelpreise immer weiter in die Höhe.


Die Situation ist beunruhigend: Die Nahrungsmittelpreise erreichten in vielen Ländern in den vergangenen Monaten Rekordniveau, insbesondere die Preise für Weizen sind für die Ärmsten unerschwinglich. In Bangladesch beispielsweise sind die Getreidepreise um 21 Prozent gestiegen, in Afghanistan sogar um 24 Prozent. In Sri Lanka müssen die Ärmsten für Reis mehr als das Doppelte bezahlen. Auch der UN-Index für die weltweiten Nahrungsmittelpreise zeigt: Die Lebensmittelpreise waren im ersten Halbjahr von 2010 fast doppelt so hoch wie im Jahr 2000, und lagen nur 14 Prozent unter dem Rekordwert von 2008.

Die Preisexplosionen beruhen auf vielfältigen Ursachen: Vor allem die wachsende Nachfrage von wirtschaftlich aufstrebenden Nationen wie China treibt die Lebensmittelpreise in die Höhe. Die dürrebedingten Ernteausfälle von Russland verschärften diesen Sommer zudem die Preisentwicklung für Weizen. Hinzu kommen Marktspekulationen bei den Energie- und Rohstoffen, zu denen neuerdings auch die agrarwirtschaftlichen Produkte gehören.

Gleichzeitig zeigt der neue TDR, dass immer mehr Entwicklungsländer auf exportorientierte Wachstumsstrategien setzen. Viele Länder müssen ihre Löhne niedrig halten, um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Als Konsequenz sehen sie sich mit einer hohen Arbeitslosigkeit und einer sinkenden heimischen Nachfrage konfrontiert. Die TDR-Autoren sehen dieser Entwicklung - auch angesichts der hohen Lebensmittelpreise -  skeptisch gegenüber: Die Exportkonkurrenz über niedrige Löhne führe zu einem „Wettlauf in den Abgrund“ und mache wichtige Erfolge in der Armutsbekämpfung zunichte. 

Je mehr Entwicklungsländer zudem auf exportorientierte Entwicklung setzen, umso schwieriger werde es für jedes einzelne von ihnen, dies mit Erfolg zu tun. Laut den TDR-Autoren habe nicht zuletzt die globale Wirtschafts- und Finanzkrise die Grenzen von exportorientierten Wachstumsstrategien aufgezeigt. „Sobald ein Entwicklungsland auf den Export von Gütern setzt und seine Zollschranken senkt, ist es von den Weltmarktpreisen abhängig und gerät in den Sog der Preissteigerungen“, erklärt Ernst. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, statt auf eine Exportorientierung auf faire Regeln im Agrarhandel und auf Nachhaltigkeit und Ernährungssouveränität ausgerichtete Landwirtschaft zu setzen.

Denn paradoxerweise sind es oft die Menschen in den ländlichen Regionen - also dort, wo Lebensmittel erzeugt werden, die in den Entwicklungsländern nicht über ausreichende Nahrungsmittel verfügen. Schuld daran sind vor allem die handelsverzerrenden Agrarsubventionen der Industrieländer. Sie ermöglichen den Export von Agrarprodukten unterhalb der eigentlichen Produktionskosten und bedrohen damit die mühsam aufgebaute Existenz tausender Kleinbauern. „Mit den Dumpingpreisen können die lokalen Kleinbauern nicht mithalten“, erklärt Ernst, „den Kleinbauern muss ein gesicherter Zugang zu Produktionsmitteln wie Boden, Wasser oder Saatgut zur Verfügung gestellt werden.“ Nur auf diesem Weg seien sie gegen die Preisschwankungen des Weltmarkts gerüstet.

 

Relevante Informationen:

  • Hier gibt es eine kurze Zusammenfassung des Trade and Development Report 2010 (Englisch)