08.03.2010

Geschlechtergerechtigkeit fördern, um die Millenniumsziele zu erreichen

2010 ist das Jahr der Frauen: Die Pekinger Aktionsplattform feiert ihren 15. und die UN-Resolution zu Frauen, Frieden und Sicherheit ihren zehnten Jahrestag. Obwohl seit der Verabschiedung dieser frauenpolitischen Meilensteine viel für die Rechte der Frauen getan wurde, gibt es noch immer geschlechtsbedingte Ungleichheiten unter den in Armut lebenden Menschen. Dabei belegt der Welthunger-Index 2009: Die Verringerung der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern könnte maßgeblich zur Lösung des globalen Hungerproblems beitragen und die Umsetzung der MDGs weiter voran bringen. Die UN-Millenniumkampagne ruft am heutigen Weltfrauentag deswegen dazu auf, beim MDG-Gipfel im September wirksame Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter besonders zu berücksichtigen und Frauenrechte weiter zu stärken.


Fünfzehn Jahre nach der Verabschiedung der Pekinger Aktionsplattform auf der Weltfrauenkonferenz von 1995 und zehn Jahre nach der Verabschiedung der UN-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit steht die Staatengemeinschaft vor großen frauenpolitischen Herausforderungen: Laut dem Welthunger-Index 2009 sind mehr als 70 Prozent der 1,4 Milliarde Menschen, die in extremer Armut leben müssen, Frauen und über 60 Prozent der Analphabeten weltweit weiblich.

Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise verschärft zudem die Hungersituation in den Ländern des Südens und stellt Frauen in ihrer Rolle als Haupternährerinnen der Familie vor unlösbare Probleme. Da viele Frauen aufgrund der weltweiten Rezension ihr Einkommen verlieren, sind sie gezwungen unter ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen zu arbeiten, um das Überleben ihrer Familien zu sichern. Auch junge Mädchen leiden verstärkt unter der Krise: Laut dem Bericht „Weil ich ein Mädchen bin“ des Kinderhilfswerks Plan werden sie häufiger von der Schule genommen und müssen mehr Arbeit für ihre Familien übernehmen. Zudem prostituieren sich derzeit etwa eine Million Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren, um ihre Familie finanziell unterstützen.

„Wenn sich die Regierungs- und Staatschefs im September in New York treffen, um die Umsetzung der MDGs zu überprüfen, muss das Thema Geschlechtergrechtigkeit ganz oben auf der Agenda stehen“, erklärt Dr. Renée Ernst von der UN-Millenniumkampagne. Denn nur, wenn die Gender-Perspektive bei den nationalen Programmen zur Verwirklichung der MDGs berücksichtigt wird, könnten Hunger und Armut erfolgreich bekämpft werden.

Auch die UN-Generalversammlung erinnerte aus Anlass des 15. Jahrestages der Pekinger Aktionsplattform und des Weltfrauentags daran, dass Geschlechtergerechtigkeit nicht nur ein eigenständiges Ziel, sondern auch die Voraussetzung für langfristige Entwicklung, Wirtschaftswachstum und allgemeinen sozialen Fortschritt sei. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte: „Die Erklärung von Peking ist ein Meilenstein und von weitreichender Bedeutung, der nicht an Aktualität verloren hat. Denn das dritte Millenniumsentwicklungsziel, die Gleichstellung von Frauen und Männern, ist weiter von großer Bedeutung. Wenn Frauen nicht die Chance bekommen, ihre Position und ihre Gemeinschaft zu verbessern, werden wir alle verlieren.“

Wie wahr Ban Ki-moon Aussage ist, belegt auch der Bericht von Plan: „Weil ich ein Mädchen bin“ zeigt auf, dass frühzeitige Investitionen in Mädchen die wirtschaftliche Lage eines Landes verbessern könnten. Sobald nur ein Prozent mehr Mädchen die Oberstufe besuchen würde, würde das jährliche Pro-Kopf-Einkommen eines Landes um 0,3 Prozent steigen.Dennoch erreichen die meisten Länder nicht einmal ein Mindestmaß an Gleichberechtigung, wie der Gleichtstellungsindex 2009 (Global Equity Index, GEI) von Social Watch beweist. 15 der 157 untersuchten Länder weisen sogar schlechtere Werte, als im Vorjahr auf.

Doch der Gleichtstellungsindex 2009 zeigt auch: Inwieweit Frauenrechte innerhalb eines Landes gestärkt werden, hängt in einem großen Maß vom politischen Willen ab. Als größtes Positivbeispiel gilt nach wie vor Ruanda:
Mit einem GEI von jeweils 85 - in diesem Bewertungssystem würde der Wert 100 der völligen Gleichstellung entsprechen - in den Bereichen wirtschaftliche Teilhabe und Bildung sowie einem GEI von 88 für den Bereich politisches Empowerment, überholt das Entwicklungsland in diesem Jahr Norwegen, Deutschland und die Bahamas. Angeführt wird der Gleichstellungsindex von den beiden skandinavischen Ländern Schweden und Finnland.

Aus dem Gleichstellungsindex geht zudem hervor, dass sich der Abstand zwischen den Ländern mit vergleichsweise positiven Daten und denen mit stark ausgeprägter Ungleichheit zwischen den Geschlechtern im Jahr 2009 vergrößert hat. Während sich der Zugang von Frauen zu Bildung und wirtschaftlichen Aktivitäten weltweit verbessert hat, verschlechterte sich im Vergleich zum Vorjahr zudem die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen in Folge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise.

Dr. Renée Ernst betont, dass insbesondere jetzt ist die Stärkung der Rolle der Frau unabdingbar sei, um die Auswirkungen der Krise in den Ländern des Südens abzufedern. Denn Frauen spielen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen Hunger und Armut. „Je niedriger ihr Bildungsgrad, ihr Gesundheitszustand, ihre wirtschaftliche Teilhabe und ihre politische Einflussnahme, desto mehr Menschen leiden in einem Land an Unterernährung“, erklärt sie. Wird also die Gleichstellung der Geschlechter gefördert, würde sich die Lebenssituation der gesamten Gemeinschaft verbessern.


Stimmen und Forderungen zum Weltfrauentag 2010

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon „Gleiche Rechte weiter fördern“ ?Zum diesjährigen Internationalen Tag der Frau sollten wir gemeinsam einen kritischen Blick auf das Erreichte der vergangenen 15 Jahre werfen und analysieren, wo wir Erfolg hatten und wo wir uns verbessern müssen. Wir alle müssen uns für eine Zukunft der gleichen Rechte, der gleichen Chancen und des Fortschritts für alle einsetzen.?


Die UN-Frauenrechtskomission im Rahmen ihrer derzeit laufenden 54. Sitzung in New York: In ihrer Erklärung zum fünfzehnten Jahrestag der Pekinger Konferenz bestätigten die Delegierten in New York die Vereinbarungen von Peking als essentiell, um die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen und forderten weitere Maßnahmen zur vollständigen und beschleunigten Umsetzung der Beschlüsse von Peking. Der Schlüssel zur Gleichberechtigung müsse die Umverteilung von Macht, Pflegearbeit und Arbeit sein, so das offizielle Statement.


Oxfam / der Katholische Deutsche Frauenbund KDFB: ?Gleichberechtigung fördern, um den Hunger zu besiegen?: Zum Internationalen Frauentag rufen die Hilfsorganisation Oxfam und der Katholische Deutsche Frauenbund e.V. (KDFB) die Bundesregierung auf, sich eindringlich für eine gesicherte Welternährung einzusetzen. Denn in der Landwirtschaft seien es vor allem Frauen, die arbeiten und deren Löhne unmittelbar den Familien zugute kommen. ?Um Hunger langfristig zu besiegen, müssen Frauen gleichberechtigt sein?, erklärt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam. Nur dann hätten sie Zugang zu Krediten, Ausbildung und Beratung.


Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel: ?Frauenrechte sind Menschenrechte? ?Dieser Tag steht für die Einforderung von Frauenrechten und der Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Lebenslagen. Die Förderung dieser Gleichberechtigung ist ein Qualitätsmerkmal der deutschen Entwicklungspolitik. Wir möchten Frauen und Männer gleichberechtigt an allen Entwicklungsprozessen beteiligen und setzen uns dafür weltweit ein. Frauenrechte sind Menschenrechte. Zu ihrer Umsetzung beizutragen, wird uns daher auch über dieses Jubiläums-Jahr hinaus ein wichtiges Ziel bleiben.?


World Vision ?Gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsdiensten schaffen?: Zum Weltfrauentag ruft das Kinderhilfswerk World Vision dazu auf, Gleichberechtigung auch in den lebenswichtigen Bereichen Gesundheit und Ernährung zu verwirklichen. Auf der Strecke geblieben ist vor allem das vor 30 Jahren formulierte Vorhaben der Weltgemeinschaft, Frauen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsdiensten zu verschaffen ?Keines der Acht Millenniumsziele ist so schlecht vorangekommen ? die Müttergesundheit steht offensichtlich ganz unten auf der Prioritätenliste Aller. Dies muss sich ändern, wenn wir eine gerechte Welt wollen?, erklärt Christoph Waffenschmidt, Vorstandsvorsitzender von World Vision Deutschland.


Welthungerhilfe ?Landrechte für Frauen sichern? Anlässlich des Weltfrauentages fordert die Welthungerhilfe einen besseren Zugang zu Land für Frauen in den Entwicklungsländern. ?Wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass Frauen jahrelang ein kleines Stück Land bewirtschaften, um die Familie zu ernähren aber nicht als Besitzer registriert werden, wenn der Mann gestorben ist. Denn unsere Erfahrungen zeigen ebenso wie internationale Studien ganz deutlich dass dort wo Frauen ihre politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte nutzen können, weniger Hunger herrscht?, erklärt Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe.


Deutsche Stiftung Weltbevölkerung ?Mehr in die Gesundheit von Frauen investitieren? Auf das weitaus höhere Infektionsrisiko von Frauen für HIV/Aids macht die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) anlässlich des Internationalen Frauentages aufmerksam. Die Stiftung fordert mit Blick auf die anstehenden Haushaltsplanungen der Bundesregierung für das Jahr 2011, mehr in die Gesundheit von Frauen zu investieren. Denn nach neusten UNAIDS-Zahlen sei Aids weltweit die Hauptursache für Krankheit und Tod von Frauen im gebärfähigen Alter. ?Die Position von Frauen in den Gemeinschaften muss daher dringend gestärkt werden. Zudem brauchen Frauen speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Mittel, damit sie sich besser vor Aids schützen können?, erklärt DSW-Geschäftsführerin Renate Bähr.