29.06.2010

G20 bleiben Weltmeister im Vertagen

Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte sich mit ihrer Forderung nach einer Steuer auf Transaktionen am vergangenen Wochenende nicht durchsetzen. Auf dem Gipfeltreffen der G20 in Toronto hatte sich Merkel gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy für die Einführung einer globalen Finanztransaktionssteuer (FTT, engl. für Financial Transaction Tax) eingesetzt. Widerstand gab es insbesondere von Japan, Brasilien, Indien, Kanada und Australien: Die Staaten argumentierten, bei ihnen hätten die Banken keine Schäden angerichtet, deshalb müsse man sie auch nicht an deren Beseitigung beteiligen. Auch auf eine gemeinsame Position zur Bankenabgabe konnte sich die Staatengemeinschaft nicht einigen.


 

Mehr als 200.000 Menschen hatten sich im Vorfeld des Gipfeltreffens in verschiedenen Petitionen für die Einführung einer FTT eingesetzt - ihre Stimmen blieben am Wochenende in Kanada ungehört. Denn Deutschland und Frankreich konnten sich mit ihrer Forderung nach einer FTT in Toronto nicht durchsetzen. Auch eine Sonderabgabe für Banken wird nicht eingeführt. In dem Abschlussdokument des Gipfeltreffens heißt es, dass Bankenabgaben allenfalls auf nationalstaatlicher Ebene eingeführt werden, nicht aber auf Ebene der G20. „Das Abschlussdokument ist eine Einladung dazu, die schwammigen Vereinbarungen zu vergessen und die Banken wieder einmal zu schonen”, erklärt Dr. Renée Ernst von der UN-Millenniumkampagne.

 

Die Ergebnisse des Gipfeltreffens seien zudem eine herbe Enttäuschung für jeden Steuerzahler: „Statt die Banken, die die Krise verursacht haben, zur Kasse zu beten, laden die G20 die Kosten auf den Schultern der Bürgerinnen und Bürger ab.” Mit der FTT hätten die Banken einen fairen Beitrag zur Bewältigung der Krisenkosten in Entwicklungsländern leisten können. Selbst bei einem winzigen Steuersatz von 0,05% kämen Einnahmen in der Größenordnung von 50 Milliarden Euro jährlich in Schäubles Kasse. Es sei deswegen sehr zu hoffen „dass Bundeskanzlerin Merkel es gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy schafft, die FTT in Europa einzuführen.”

 

Auch „Steuer gegen Armut” bewertet die Ergebnisse des G20-Gipfels in Toronto als enttäuschend. Insbesondere die ablehnende Haltung von Kanada und den USA zeige, dass es noch ein weiter Weg zu einer wirksamen multilateralen Zusammenarbeit in Finanzfragen sei. „Es ist jetzt notwendig, sich realisierbare Ziele zu setzen und die Steuer in der Euro-Zone einzuführen”, erklärt der Sprecher des Bündnisses, Jesuitenpater Jörg Alt, „in dieser Situation sind jetzt Vorreiter gefragt. Bei der Konvention zum Verbot von Anti-Personenminen oder dem Kyoto-Protokoll hat man ja auch nicht gewartet bis alle mitmachen.”

 

Vor dem Gipfeltreffen hatte die kanadische Regierung angekündigt, sich bei den G8 für eine Initiative stark zu machen, in der sich Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und der Privatsektor gemeinsam für die Umsetzung von MDG 5 (Müttergesundheit) und MDG 4 (Kindersterblichkeit) einsetzen. Die G8 beschlossen nun in Huntsville die „Muskoka-Initiative” zur Senkung der Mütter- und Kindersterblichkeit ins Leben zu rufen und für diese in den kommenden fünf Jahren fünf Milliarden Euro bereit zu stellen. Viel zu wenig Mittel für einen zu langen Zeitraum, kritisieren entwicklungspolitische NGOs: „Die Muskoka-Initiative bedeutet Hoffnung für zu wenige Kinder und Mütter in den Ländern des Südens. Das Geld wird hinten und vorne nicht reichen”, erklärte Marwin Meier, Themenmanager Gesundheit und Anwaltschaft bei World Vision. Die Hilfsorganisation schätzt, dass für ein Erreichen der MDG 4 und 5 in den nächsten fünf Jahren etwa 24 Milliarden US-Dollar von den G8-Ländern aufgebracht werden müssten.

 

"Leere Versprechen retten keine Leben, gebrochene Zusagen sind Eigentore", mahnt auch der Direktor von ONE, Tobias Kahler. „Die G8-Länder, die wie Deutschland ihre Afrika-Zusagen nur teilweise erfüllt haben, müssen jetzt alles tun, um verlorenen Boden gut zu machen. Sie werden sich weiter an den Gleneagles-Zusagen messen lassen müssen." In Gleneagles hatten die acht reichsten Industrienationen zugesagt, ihre Entwicklungshilfe bis 2010 um insgesamt 22,6 Milliarden US-Dollar zu steigern. Dieses Ziel wurde deutlich verfehlt: Afrika wird bis Ende des Jahres lediglich 13,7 Milliarden Dollar erhalten. In Kanada verloren die G8 über ihre versprochenen Zusagen kein Wort mehr. „Sollten die G8 ihre Versprechen von Gleneagles einfach vergessen, so wäre das ein Vertrauensverlust in die internationale Gemeinschaft”, erklärt Ernst.

 

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