23.07.2010

Ohne politischen Willen kann auch neuer Armutsindex den Ärmsten nicht helfen

Er soll ein multidimensionaleres Bild der Menschen vermitteln, die in absoluter Armut leben: Der neue Armutsindex (Multidimensional Poverty Index, MPI), den die Universität Oxford gemeinsam mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) entwickelt hat, berücksichtigt die Entbehrungen der in Armut lebenden Menschen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Lebensstandard. Damit klärt der Index nicht nur darüber auf, wie viele Menschen, sondern in welcher Weise sie arm sind.


Quelle: UN Photo/Jean Pierre Laffont

Der MPI wird noch in diesem Jahr den Index für menschliche Armut (Human Poverty Index, HPI) ersetzen, den die Vereinten Nationen seit 1997 jährlich in ihren Berichten zur menschlichen Entwicklung veröffentlichen. Während bisher die Lebenserwartung, die Analphabetenrate, der Zugang zu Gesundheitsdiensten und sauberem Trinkwasser sowie der Prozentsatz untergewichtiger Kinder zählte, soll der MPI ein noch multidimensionalers Bild der in Armut lebenden Menschen zeigen.

Anhand von zehn Indikatoren werden drei kritische Dimensionen von Armut auf Ebene der einzelnen Haushalte beleuchtet: Bildung, Gesundheit und Lebensstandard. Entbehrungen betreffen unter anderen auch den (Nicht-) Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Wasser- und Stromversorgung sowie mangelnde Hygiene. Zudem wird die Versorgung mit wichtigen Haushaltsartikeln und Dienstleistungen, wie der Besuch eines Arztes, mit einbezogen. Damit soll der MPI über die Form der Armut aufklären und die Zusammenhänge zwischen den Lebensbereichen verdeutlichen. Auch erlaubt der MPI die bessere Messung der Intensität von Armut: Eine Person, die Entbehrungen bei 70 Prozent der untersuchten Indikatoren hinnehmen muss, ist demnach ärmer als eine, die nur von 40 Prozent Mangel betroffen ist.

„Die Messungen werden in 104 Entwicklungsländern vorgenommen und beziehen sich somit auf 78 Prozent der Weltbevölkerung“, erklärt Dr. Jeni Klugman, Direktorin des UNDP Human Development Report Office und Hauptautorin des diesjährigen Berichts für menschliche Entwicklung. Mit dem MPI sei eine viel umfassendere Messung von Armut möglich, als es die traditionelle Formel der Weltbank erlaube. Nach dieser Definition gilt ein Mensch als arm, wenn er weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag zum Überleben zur Verfügung hat.

Mit den neuen Bewertungskriterien für Armut muss jedoch auch die Anzahl der Menschen nach oben korrigiert werden, die in extremer Armut leben. Die Analyse aus 104 Ländern ergab, dass nach den Kriterien des MPI rund 1,7 Milliarden Menschen als „multidimensional arm“ bewertet werden können. Das übersteigt den bisherigen Wert von 1,4 Milliarden Menschen, die mit weniger als 1,25 US-Dollar am Tag auskommen müssen.

„Diese Zahlen sind erschreckend, spiegeln aber die weltweite Not der Ärmsten wider, die sich durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise noch weiter verschlimmert hat“, erklärt Dr. Renée Ernst von der UN-Millenniumkampagne. Der MPI sei aufgrund seiner umfassenderen Analyse eine wertvolle Ergänzung zu den bisherigen Instrumenten zur Armutsmessung. Auch die Wirksamkeit der politischen Maßnahmen zur Umsetzung der Millenniumsziele sei schneller als bisher messbar. Aber „jenseits der neuen Indikatoren ist und bleibt der Schlüssel zur Umsetzung der Ziele der politische Wille", so Ernst. Solange die politisch Verantwortlichen nicht gewillt seien, die nationalen Ressourcen im Sinne der Ärmsten einzusetzen, könne auch eine verbesserte Erhebungsmethode das Leben der Menschen in extremer Armut nicht verbessern.


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