26.11.2010

EU-Agrarpolitik in der Kritik: „Die EU kann und soll nicht die Welt ernähren“

Die kürzlich vorgestellte Reform der europäischen Agrarpolitik ab 2014 sieht vor, Subventionen für Bauern an ökologische und soziale Kriterien zu koppeln. EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos will außerdem die Produktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft erhöhen. Das katholische Hilfswerk MISEREOR kritisierte diese Pläne als entwicklungspolitisch unbefriedigend, da sie einheimischen Nahrungsproduzenten keine Chance lassen.


Mit mehr als 50 Milliarden Euro ist die Agrarpolitik der größte Posten im Haushalt der Europäischen Union, mehr als 40 Prozent des Bodens in Europa werden landwirtschaftlich genutzt. Durch die aktuellen Reformpläne würden Subventionen gezielter für umweltbewusste Landwirtschaft eingesetzt und nicht wie bisher pauschal pro Hektar Anbaufläche.

Das katholische Hilfswerk MISEREOR begrüßte diese Pläne, da sie auch deutschen Bauern helfen würden und entwicklungspolitisch sinnvoll seien. Stark kritisiert wurde aber der europäische Plan, die Exportsubventionen nicht abzuschaffen. Stattdessen soll unter dem Vorwand der Ernährungssicherung die europäische Agrarwirtschaft weiter ausgebaut werden. „Die EU kann und soll nicht die Welt ernähren. Stattdessen muss sie die direkte und indirekte Subventionierung ihrer Exporte einstellen, damit einheimische Nahrungsproduzenten und Kleinbauern in Entwicklungsländern selbst eine Chance haben“, sagte Armin Paasch, MISEREOR-Experte für Welthandel und Ernährung.

Eine aktuelle Studie von MISEREOR belegt die negativen Auswirkungen der EU-Agrarpolitik auf die Länder des Südens seit den 1980er Jahren. Die subventionierte Überproduktion von Getreide, Fleisch und Milchprodukten in Europa führte zum Verfall der Weltmarktpreise - mit gravierenden Folgen für die afrikanische Landwirtschaft. Für Entwicklungsländer wurde es billiger Nahrungsmittel aus Europa zu importieren, als die eigene Landwirtschaft zu fördern.

„Damit trägt die EU eine wesentliche Mitschuld daran, dass sich die Entwicklungsländer heute nicht mehr aus eigener Produktion versorgen können. Wenn die Weltmarktpreise steigen, wie jüngst wieder für Weizen und Mais, sind Hunger und Notlagen vorprogrammiert“, mahnte Tobias Reichert, Autor der MISEREOR Studie. Die EU-Agrarpolitik hat damit immensen Einfluss auf das erste Millenniumsziel, Armut und den Anteil an hungerleidenden Menschen bis 2015 zu halbieren.

Auch die Nichtregierungsorganisation Oxfam forderte EU-Agrarkommissar Ciolos auf, die Auswirkungen der EU-Agrarpolitik auf arme Länder zu berücksichtigen. Der Kommissar ignoriere den Beschluss des Außenministerrates, welcher im November 2009 festlegte, den Schwerpunkt der zukünftigen Agrarpolitik auf Hungervermeidung in Entwicklungsländer zu legen. „Es fehlen ein klares Bekenntnis zur Abschaffung der Exportsubventionen und eine Strategie zur Eindämmung von Produktionsüberschüssen. Die EU nimmt trotz knapp einer Milliarde Hungernder die negativen Auswirkungen ihrer Agrarexportpolitik weiterhin billigend in Kauf“, sagte die Agrarexpertin Marita Wiggerthale von Oxfam.

Auch die deutsche UN-Millenniumkampagne verlangt Änderungen mit Blick auf die Auswirkungen der Agrarpolitik: „Die Mehrheit der Ärmsten der Welt lebt von Landwirtschaft. Unsere EU-Subventionen verhindern, dass sie sich durch eigenhändige Einkünfte aus der Armut befreien können. Der EU-Agrarkommissar muss hier nachbessern, denn es kann nicht sein, dass die geplanten Reformen gegen die Millenniumentwicklungsziele arbeiten.“, forderte Dr. Renée Ernst, Leiterin der UN-Millenniumkampagne Deutschland.

 

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