07.10.2009

Presse.Freiheit.Entwickeln.

Verantwortungsvolle und unabhängige Medien sind eine unabdingbare Plattform für jede demokratische Gesellschaft. Wie die Millenniumsziele mit der Pressefreiheit zusammenhängen berichtet unsere MDG-Korrespondentin Heike Grebe. Sie hat eine Podiumsdiskusion zum Thema verfolgt, zu der die Deutsche Welle und die UN-Millenniumkampagne eingeladen hatten


Pressefreiheit und Entwicklung sind Themen, die stark miteinander korrelieren. Das wurde letzten Donnerstag bei der Podiumsdiskussion ?Presse. Freiheit. Entwickeln.? der UN-Millenniumkampagne und der Deutschen Welle in Bonn deutlich. Deutlich wurde aber auch, dass es scheinbar keinen gänzlich unabhängigen Journalismus gibt, ob in Afrika oder hier in Deutschland, denn oft nehmen politische oder wirtschaftliche Abhängigkeiten Einfluss auf die Berichterstattung. Unabhängige, freie und vielfältige Berichterstattung ist jedoch eine unabdingbare Vorraussetzung, um die Millenniumsziele zu erreichen. Zu selten schaut man ganz direkt auf den Zusammenhang zwischen Pressefreiheit und Entwicklung.

Letzte Woche wurde es getan: Moderatorin Monika Hoegen diskutierte mit Ludger Schadomsky, Redaktionsleiter des amharischen Programms der Deutschen Welle, Holger Ehling von Reporter ohne Grenzen, Renate Schröder von der Europäischen Journalisten Föderation und Thomas Deve von der UN-Millenniumkampagne in Afrika, über die Notwendigkeit von Pressefreiheit zur Erreichung der Millenniumsziele. Hauptaugenmerk lag dabei auf der Situation der Journalisten speziell auf dem afrikanischen Kontinent. Wo wird Pressefreiheit unterdrückt, welche Länder sind dagegen auf einem positiven Weg? Interessante Eindrücke und Antworten hierzu konnte vor allem Thomas Deve liefern, der viele Jahre in Simbabwe als Journalist gearbeitet hat.
 
In seiner mit Spannung erwarteten Keynote verdeutlichte er, dass viele Länder Afrikas auf einem positiven Weg zu mehr Meinungsfreiheit sind. Die Bevölkerung hat besseren Zugang zu den Medien. Es drängen zahlreiche neue Medien auf den Markt. ?Unsere Erfahrung in Afrika zeigt, dass Bürger in Ländern mit respektierter Pressefreiheit stärkeren Zugang zu privaten Radiosendern haben. Staaten wie Mali, Ghana, der Senegal und Sambia zählen dazu.? Würde die Zahl der täglich in Afrika produzierten Medienprodukte gezählt, wären Auflagen und Publikationsdichte phänomenal, doch die inhaltliche Qualität gäbe einem oft zu denken. Deve forderte die afrikanischen Journalisten auf, mehr darüber zu berichten, wie politische Entscheidungen getroffen werden und wie Ressourcen verteilt werden. In Ländern wie Simbabwe, Gambia und Namibia bestehe jedoch weiterhin das Problem, dass die großen Medienunternehmen staatlich kontrolliert werden. Häufig sähen sich die Journalisten daher gezwungen, positiv über die Arbeit der Regierung zu berichten. Bei den privaten Medien leide die inhaltliche Berichterstattung häufig unter der Abhängigkeit von Anzeigenkunden.

Am Anfang der Diskussionsrunde fassten die Gäste zunächst die allgemeine Situation der Journalisten in Afrika zusammen. Im Jahr 2008 wurden 40 Journalisten während ihrer Arbeit getötet, die meisten davon am Horn von Afrika. Somalia und Eritrea sind die gefährlichsten Länder für Journalisten. In Somalia wurde gerade erst wieder eine Radiostation von der Regierung geschlossen. Sechs lokale Journalisten verloren in diesem Jahr dort bereits ihr Leben. Seit vor 2 Jahren eine BBC Reporterin erschossen wurde, sind keine internationalen Reporter mehr im Land. Ludger Schadomsky (Deutsche Welle) stellte eine Korrelation zwischen Human Development Index und Pressefreiheitsindex fest. In schlecht entwickelten Ländern wie Somalia, Eritrea und Äthiopien sei auch die Situation für Journalisten extrem schlecht. Umgekehrt sei in politisch stabilen Ländern wie Botswana und Sambia die Zahl der Lizenzen und neuen Medien explodiert. Viele Journalisten leiden unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen. 90 % der Afrikaner arbeiten lediglich als freie Journalisten und müssen sich durch weitere Nebenjobs über Wasser halten, so Renate Schröder (EJF). Da bleibe kaum Zeit für gründliche Recherche. Der Beruf des Journalisten werde zudem in Afrika nicht unbedingt wertgeschätzt. Nicht nur die schlechte Bezahlung, sondern auch eine mangelnde Ausbildung tragen dazu bei. ?Den unabhängigen Journalist in Afrika gibt es nicht!? bekräftigt Schadomsky. Der Journalist sei entweder im Staatsdienst eingestellt, wo er nicht bezahlt werde oder in privatwirtschaftlichen Medienhäusern, wo die Auswahl der Anzeigen wichtiger sei als die der Nachrichten. Die Journalisten in Afrika müssen stärker gefördert und ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden, darin waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig.

Einigkeit herrschte auch darüber, dass nur eine freie Presse und Berichterstattung der Zivilgesellschaft ermöglichen kann, von den Regierungen einzufordern, was sie versprochen haben, etwa die Erreichung der Millenniumsziele. Verbesserung der Gesundheit, der Schulbildung, der Stellung der Frauen ? dies sind nur drei der acht Millenniumsziele, die bis 2015 erreicht werden sollen. Wie werden diese Ziele in Afrika kommuniziert? Holger Schadomsky musste bei Medientrainings vor Ort immer wieder feststellen: ?MDG-Themen sind unsexy!? 2015 sei weit weg und im hektischen Tagesgeschäft fielen diese Themen daher durch. Außerdem erreichten diese Themen oft nicht die  Bevölkerung. Grund hierfür ist, dass eine kritische Berichterstattung oft eher in englisch- oder französisch-sprachigen Medien vorkommt, weniger in lokalen. Thomas Deve spricht nach eigener Aussage jedoch gerade mit den kleinen, lokalen Medien über die Millenniumsziele. Dort sieht er eine höhere Bereitschaft, über die Probleme, auf die die Millenniumkampagne aufmerksam machen will, zu berichten.

In der anschließenden Diskussionsrunde kam die Frage auf, wie man unabhängigen Journalismus trotz dieser schwierigen Bedingungen in Afrika herstellen kann? Schadomsky sieht als erste Maßnahme, einen Mentalitätswechsel in der politischen Führung der Länder zu erreichen. Die Bereitstellung von Informationen müsse als positives Gut interpretiert werden. Nur zu oft würden Journalisten noch als Gegner betrachtet.
Abschließend die Frage: Ist es möglich, keine Pressefreiheit aber trotzdem unabhängigen Journalismus zu haben? Während Renate Schröder dieses als sehr schwierig sah, gab Holger Ehling zu bedenken, dass sich die deutschen Journalisten von den afrikanischen Kollegen einige Scheiben abschneiden könnten. Viele würden trotz Repressalien und schlechter Arbeitsbedingungen stetig weiter arbeiten. Diese Art von Mut habe er in Afrika immer wieder gesehen. Gerade dieser Mut sei vielen Journalisten in Deutschland leider abhanden gekommen.

Von Heike Grebe