11.11.2010

Human Development Report 2010: 1,75 Milliarden Menschen in multidimensionaler Armut

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen hat den zwanzigsten Human Development Report veröffentlicht. Unter dem Titel „Der wirkliche Reichtum der Nationen: Wege zur menschlichen Entwicklung“ beleuchtet er die Situation von 92 Prozent der Weltbevölkerung in 135 Ländern. Abseits von weltweit ermutigenden Fortschritten in der Entwicklung haben sich einige Länder verschlechtert. Eine genauere Berechnung führt zur traurigen Zahl von 1,75 Milliarden Menschen, die weltweit in Armut leben.


„Der Human Development Report hat unseren Blick auf die Welt verändert. Wir haben gelernt, dass Wirtschaftswachstum wichtig ist. Aber worauf es wirklich ankommt, ist, die Mittel zu nutzen, um allen Menschen die Möglichkeit zu geben ein langes, gesundes und produktives Leben zu führen“, sagte Ban Ki-moon, Generalsekretär der Vereinten Nationen, anlässlich der Veröffentlichung des zwanzigsten Human Development Reports.

 

Zu einem großen Teil ist dies gelungen, wie der Bericht belegt. In den letzten 40 Jahren ist die Lebenserwartung in den untersuchten Ländern von 59 auf 70 Jahre gestiegen. 70 Prozent aller Kinder im schulfähigen Alter können Schulbildung genießen, verglichen mit 55 Prozent im Jahr 1970. Aber der Zuwachs ist sehr ungleich verteilt. Die Lebenserwartung in den arabischen Ländern stieg um 18 Jahre, in Sub-Sahara Afrika jedoch nur um acht Jahre. Ein Wachstum der Wirtschaft bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich auch die Lebensbedingungen der Menschen verbessern. Andererseits sind Fortschritte in Bildung, Gesundheit und Menschenrechten auch ohne schnelles Wachstum möglich. 

Jeni Klugman, die Hauptautorin des Berichts, sagte, „Es gibt kein Patentrezept, welches nach unseren Beobachtungen allen Ländern nutzt.“ Dies würden die Daten in der Vielfalt der verschiedenen Länder zeigen. „Einige Länder haben gewaltige Rückschritte erlitten, vor allem im Gesundheitsbereich. Zum Teil wurden in nur wenigen Jahren über Jahrzehnte gemachte Fortschritte zunichte gemacht.“. Zimbabwe, Kongo und Sambia werden im Human Development Index (HDI), dem Ranking des Berichts, heute schlechter beurteilt als im Jahr 1970.

Deutschland steht im Gesamtbild an zehnter Stelle des HDI und gehört damit zu den sehr hoch entwickelten Nationen. Dem diesjährigen Bericht wurden drei neue Maße hinzugefügt, um den Stand von Entwicklung genauer zu analysieren. Es wird nun auch Ungleichheit innerhalb eines Landes, geschlechtsspezifische Ungleichheit und multidimensionale Armut abgebildet. Der neue multidimensionale Armutsindex (eng. multidimensional poverty index, MPI) erfasst über zehn einzelne Indikatoren die drei Dimensionen Gesundheit, Bildung und Lebensstandard. Er erlaubt eine genauere Aufklärung über die Form der Armut und ihre Intensität. Die Messungen in 104 Entwicklungsländern zeigen jedoch, dass nach den neuen Kriterien etwa 1,75 Milliarden Menschen in multidimensionaler Armut leben. Dies sind deutlich mehr als die bisher berechneten 1,44 Milliarden, die mit weniger als 1,25 Dollar täglich leben.

„Der neue Human Development Report zeigt deutlich, dass kein systematischer Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und der Lebenssituation der Ärmsten besteht. Vielmehr ist der politische Wille der Regierungen ausschlaggebend, das heißt wieviel Mittel diese in Gesundheit und Bildung investiert. Auch zeigt der Bericht, dass wirtschaftliche Krisen die Ungleichverteilung erhöhen, insbesondere in den ärmsten Ländern. Mit einem ausgeprägten informellen Sektor, stieg die Anzahl der Menschen, die in extremer Armut leben rasant an“, sagte Dr. Renée Ernst, Leiterin der UN-Millenniumkampagne Deutschland. „Um so wichtiger ist es, dass der Bericht uns messbare Daten an die Hand gibt, um effizient gegen Ungleichheit vorgehen zu können und durch entschlossenes politisches Handeln zur Erfüllung der Millenniumsziele beizutragen.“

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