15.02.2011

Europäische Agrarpolitik: APRODEV fordert „do no harm“ als Grundprinzip der Reform

Die schädlichen Auswirkungen der europäischen Agrarpolitik hat der Verband APRODEV in seinen aktuellen Berichten thematisiert. Die Autoren schlagen einen raschen Abbau von Subventionen und Schutzzöllen vor, um Entwicklungsländern die Möglichkeit zu geben, sich selbst aus der Armut zu befreien. In APRODEV sind 16 humanitäre und entwicklungspolitische Organisationen zusammengeschlossen. Sie fordern einen generellen „do no harm“(deutsch: „nicht schaden“)-Ansatz, der bei der Reform der europäischen Agrarpolitik die Folgen für arme Ländern berücksichtigen müsse.


Logo von www.aprodev.eu

Die gemeinsame europäische Agrarpolitik (Common Agricultural Policy - CAP) hat enormen Einfluss auf Nahrungsmärkte weit über Europas Grenzen hinaus. Sie umfasst mehr als 40 Prozent des EU-Haushaltes, obwohl nur 2,5 Prozent der Bevölkerung Europas in der Landwirtschaft tätig sind. Erst seit 2009 gibt es transparente Angaben über die Verteilung des Agrarbudgets. 85 Prozent der Agrarsubventionen kommen demnach nur 17 Prozent der Empfänger zugute. Eine kleine Zahl an Empfängern wird also mit hohen Beträgen gefördert, vor allem große Agrarbetriebe profitieren von den Zahlungen. Aktuell gilt die CAP bis zum Jahr 2013, für den Zeitraum bis 2020 soll die Agrarpolitik reformiert werden.

Die sechs veröffentlichten APRODEV-Berichte beleuchten die negativen Auswirkungen der CAP auf Entwicklungsländer, Ernährungssicherheit und Nahrungsmittelmärkte. Die Europäische Union als größter Im- und Exporteur von Agrarprodukten weltweit müsse die Verantwortung für die gravierenden Auswirkungen ihrer Agrarpolitik übernehmen, fordert der Verband. Für die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik bis 2020 werden konkrete Vorschläge gemacht, die auch die Millenniumsziele unterstützen. Generell solle die gemeinsame Agrarpolitik einem „Do- no- harm“ also einem „Nicht-schaden“ Ansatz unterliegen, der negative Folgen für Nahrungsmärkte in Entwicklungsländern verhindert.

Bisher tragen europäische Agrarsubventionen dazu bei, dass Märkte in Entwicklungsländern mit günstigen europäischen Produkten überschwemmt werden. Diese Dumping-Exporte schaffen eine künstliche Abhängigkeit armer Länder, da sich die lokale Produktion nicht mehr rentiert. Europäische Subventionen zerstören die Wirtschaftsstruktur und verhindern, dass sich Menschen durch eigene Arbeit aus der Armut befreien können. Diese Effekte machen bisherige Erfolge im Kampf gegen Hunger zunichte. Da weltweit 70 Prozent der Armen in ländlichen Gebieten leben, kommt dem Agrarsektor eine überragende Bedeutung für nachhaltige Entwicklung und Ernährungssicherheit zu.

APRODEV fordert deshalb ein Ende der europäischen Dumping-Politik. Die völlige Öffnung der Märkte für europäische Exporte habe katastrophale Folgen und führe zu mehr Armut. Entwicklungsländer müssen daher die Möglichkeit bekommen, ihre lokale Produktion gegen zerstörerische Handelsströme aus Europa zu schützen. Die Exportsubventionen für europäische Agrarprodukte sollten komplett gestrichen werden.

Ein weiteres Problemfeld sind die hohen Importe von Futtermitteln. Die europäische Fleischproduktion wird durch Futtermittel, zumeist Soja, ermöglicht, von denen mehr als 70 % importiert werden. Der Anbau erfolgt in Monokulturen, zerstört Biodiversität und verbraucht viel Ackerfläche, für die oft Wälder gerodet werden. Die energieintensive Fleischproduktion verschmutzt in Europa Wasser und Luft durch Phosphat, Nitrat und Ammoniak. APRODEV fordert strengere Grenzwerte in Regionen mit intensiver Fleischproduktion und Initiativen, um den Fleisch- und Milchkonsum zu reduzieren. Eine lokale Produktion von Futtermitteln würde die ökologischen Folgen zumindest abmildern.

Weiterhin schlägt APRODEV innovative Instrumente vor, um Entwicklung in armen Ländern durch die CAP zu fördern und nicht zu behindern. So könnten direkte Agrarsubventionen beispielsweise anhand des globalen Index für Lebensmittelpreise gestaffelt werden. Hohe Weltmarktpreise würden dann automatisch zu einer Kürzung der Subventionen führen. Mit den freigewordenen Mitteln könnten Entwicklungsländer im Kampf gegen Hunger unterstützt werden.

Diese Methode würde den bisherigen Prozess ausbremsen durch den bei hohen Weltmarktpreisen, und damit größeren Gewinnspannen, weiterhin direkte Subventionen ausgezahlt werden. Stattdessen würden die Mittel dorthin geleitet, wo sie am dringendsten gebraucht werden - bei Hungernden, deren Leben durch Nahrungskrisen besonders gefährdet sind.

Dr. Renée Ernst, Leiterin der deutschen UN-Millenniumkampagne, unterstützt die Vorschläge des APRODEV Verbandes. „Vielen Menschen ist nach wie vor nicht klar, wie groß der Einfluss unserer europäischen Agrarpolitik auf die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländer ist. Umso wichtiger, dass die Vorschläge von APRODEV diese Zusammenhänge in aller Deutlichkeit darstellen“.

 Relevant Information