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27.01.2010

Abgeordnete informieren sich über notwendige Korrekturen der EU-Agrarpolitik

Was hat die europäische Agrarpolitik mit der Umsetzung der Millenniumsziele zu tun? Genau diese Frage beantwortete die UN-Millenniumkampagne vergangene Woche in Kooperation mit der Nichtregierungsorganisation Oxfam im Rahmen eines parlamentarischen Mittagessens in Berlin. Rund 30 Abgeordnete des Deutschen Bundestags nahmen die Einladung in die Parlamentarische Gesellschaft an und informierten sich über die Auswirkungen der EU-Agrarpolitik.


Als die Staats- und Regierungschefs die Millenniumsziele (MDGs) im Jahr 2000 unterzeichneten, trafen sie eine Abmachung: Nicht nur die Entwicklungsländer sollten für die Umsetzung der Millenniumsziele verantwortlich sein, sondern auch die Geberländer. Sie einigten sich auf eine globale Partnerschaft für Entwicklung, die auch faire Handelsregeln für die Länder des Südens umfassen sollte.

Im Jahr 2010 ist jedoch kaum zu bestreiten, dass der internationale Handel auf vielen Ebenen noch immer ungerecht ist. „Afrika verliert den ungleichen Wettbewerb auf dem Weltmarkt auf vielen Ebenen: durch Zollschranken, wegen des Dumpings billiger Waren aus den Industrieländern und aufgrund der Zugangsverweigerung zu ihren Märkten“, erklärt der frühere stellvertretende Afrika-Koordinator der UN-Millenniumkampagne, Tajudeen Abdulraheem.

Erklärtes Ziel der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik ist es eine im hohen Maß wettbewerbsfähige Ernährungsindustrie aufzubauen. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, weshalb die EU vor allem Interesse daran hat, kostengünstig landwirtschaftliche Rohstoffe zu beziehen, um mit anderen Ländern auf dem Weltmarkt mithalten zu können. Agrarsubventionen werden also dafür eingesetzt, die landwirtschaftlichen Betriebe fit für den Weltmarkt zu machen. „Die EU versucht durch aggressive Niedrigpreispolitik ihre Stellung als weltweit größten Exporteur von Agrarprodukten auszubauen“, erklärt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin von Oxfam. Denn die europäische Ernährungsindustrie ist mit einem Umsatz von 913 Milliarden Euro (Stand 2007) der größte verarbeitende Sektor der EU und mit 4,3 Millionen Beschäftigten (noch vor der Automobil und Chemieindustrie) der größte Arbeitgeber.

Um europäische Agrarprodukte zu billigen Dauerpreisen anbieten zu können, bedient sich die EU unfairer Instrumente: „Die EU unterstützt europäische Betriebe mit immensen Summen an Direktzahlungen und Investitionsförderungen, um die Produktion von billiger Massenware zu gewährleisten. Zudem fördert sie den europäischen Export, indem sie jährlich 50 Milliarden Euro für die Landwirtschaft ausgibt“, erklärt Wiggerthale. Die daraus resultierenden Dumpingexporte der EU treffen die Ärmsten am härtesten: Denn die subventionierte EU-Ware überschwemmt die Märkte in den Entwicklungsländern und verdrängt die Kleinbauern auf diesem Weg von ihren eigenen Märkten. Bilaterale und multilaterale Handelsabkommen forcieren zudem den Zollabbau in den Entwicklungsländern für europäische Agrarprodukte – Marktstörungen in den Ländern des Südens werden hierbei billigend in Kauf genommen.

Im Jahr 2013 steht eine Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik an, dabei sollten vor allem auch die Bedürfnisse der Entwicklungsländer berücksichtigt und eine kohärente Politik betrieben werden. Die UN-Millenniumkampagne Deutschland informierte die Abgeordneten des Deutschen Bundestages deswegen im Rahmen eines parlamentarischen Mittagessens über die Auswirkungen der derzeit fehlgeleiteten EU-Agrarpolitik. Denn das Preis-Dumping der EU konterkariert auch die Erreichung der Millenniumsziele: „Nach Angaben der FAO leidet derzeit jeder sechste Mensch an Hunger, die meisten von ihnen leben auf dem Land“, erklärte die Beauftragte der UN-Kampagne Deutschland, Dr. Renee Ernst, bei ihrer Begrüßungsrede in Berlin, „um den Hungernden zu helfen, ist es sehr wichtig den Aufbau lokaler Märkte zu unterstützen, damit die Menschen vor Ort die Möglichkeit haben, ihre Existenz durch eigene Einkünfte zu sichern.“ Derzeit könne jedoch einheimische Produzenten mit den subventionierten EU-Agrarprodukten nur schwerlich mithalten.

Marita Wiggerthale stellte den Abgeordneten eine aktuelle Studie vor, die exemplarisch am Beispiel Bangladeschs die Auswirkungen subventionierter Milchexporte aufzeigt. Das Fazit: Eine unfaire Handelspolitik trifft arme Menschen am härtesten. „Fallen die Milchpreise in Bangladesch um 2,5 Cent je Liter Milch, dann sinkt das tägliche Familieneinkommen der ärmsten Milchbauern von mageren 63 Cent auf 54 Cent“, erklärt Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale. Sie sind damit nicht mehr in der Lage, den täglichen Bedarf an Nahrungsmitteln zu bestreiten. Kinder werden nicht weiter zur Schule geschickt, um Geld fürs Essen einzusparen.

Um die Erreichung der Millenniumentwicklungsziele nicht zu gefährden, muss die falsche Agrarpolitik nach Auffassung der UN-Millenniumkampagne und Oxfam sofort gestoppt werden. Auch Ernst betonte in Berlin deswegen wie wichtig es sei, dass die Abgeordneten ein besonderes Augenmerk auf die nächste europäische Agrarreform richten. „Es ist unabdinglich, dass die MDGs bei der Reform der EU-Agrarpolitik im Jahr 2013 eine zentrale Rolle spielen. Denn die europäische Agrarpolitik muss dazu beitragen Fortschritte bei den MDGs zu erzielen und nicht, sie zu verhindern. Die EU dürfe ihre internen Überschussprobleme nicht weiter zu Lasten der Entwicklungsländer lösen.“

Die Bundestagsabgeordnete Karin Roth (SPD) setzt sich im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für die Umsetzung der MDGs ein. Sie fordert von der Bundesregierung eine klare Positionierung zu ihren finanziellen Zusagen, bis 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Zudem setzt sie sich dafür ein, dass „auch andere Mechanismen organisiert werden, die unabhängig von der Finanzierung für die Entwicklung der armen Länder notwendig sind. Dazu gehören die Handelspolitik der WTO sowie das Zurückfahren der subventionierten Agrarhilfe.“

Unbedingt notwendig sei es außerdem, die Budgethilfe weiterhin beizubehalten: „Neben den einzelnen Entwicklungsprojekten im Bereich Gesundheit und Landwirtschaft kann mit der Budgethilfe auch die Organisation des Staates unterstützt werden. Hierzu gehören Finanzmanagement, Rechnungshöfe sowie die Demokratisierung der Strukturen.“ In diesem Sinne müsse alles zusammenkommen: „Einerseits müssen also die Entwicklungsprojekte unterstützt werden, aber andererseits müssen wir auch die Strukturelemente in den Ländern stärken, um den Staat, aber auch die Parlamente an sich zu unterstützen. Auf diesem Weg können wir zudem die Kontrolle im Bereich Korruption verstärken und sie weitestgehend zurück drängen.“ 

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