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24.06.2010

Die Anstrengungen tragen Früchte

Unsere MDG-Korrespondetin Anita Demuth war vergangenen Mittwoch bei der Pressekonferenz zur Vorstelllung des MDG-Reports 2010 dabei. Für die UN-Kampagne schildert sie ihre Eindrücke aus Berlin.


Das Leben ist nicht fair. Das dokumentieren die Vereinten Nationen jährlichen ihrem Bilanzbericht zu den Millenniumszielen. Derweil geben sich die Mitarbeiter der internationalen Organisation größte Mühe, Optimismus zu verbreiten. Trotz Wirtschaftskrise sollen die Millenniumsentwicklungsziele noch erreicht werden können. „Wir sind noch immer auf dem richtigen Wege”, sagt Charles Abugre. Der Direktor der afrikanischen UN-Millenniumkampagne entdeckt viel Positives im neuen Zwischenbericht zu den UN-Millenniumszielen, den er gestern in Berlin vorgestellt hat. „In allen Regionen werden immer mehr Kinder eingeschult.” Damit ist zwar nicht gewährleistet, dass kein Kind die Grundschule vorzeitig verlässt. Indirekt erleichtere aber die höhere Einschulungsquote es, andere Ziele zu erreichen. So könnten von Hunger bedrohte Kinder in der Schule mit Essen versorgt werden. 

In dieser Woche wird weltweit der Jahresbericht 2010 zum Stand der Erfüllung der acht Millenniumsziele durch Vertreter der Vereinten Nationen vorgestellt. In Berlin stellt der Ghanaer Charles Abugre zusammen mit seiner deutschen Kollegin Laura Gehrke den Bericht vor. Die Studie ist die Grundlage für einen UNO-Sondergipfel im September - und eine Erinnerungshilfe gerichtet an die größten Wirtschaftsnationen, die ab morgen beim G8-Gipfel aufeinander treffen. Denn bisher halten die meisten Industrieländer ihre Hilfszusagen nicht ein. „Die reichen Länder sollten sich wieder ihrem in Gleneagles gegebenem Versprechen widmen”, fordert Charles Abugre. Laut der entwicklungspolitischen Lobbyorganisation ONE wird der Beitrag zur Armutsbekämpfung von 2004 bis 2010 voraussichtlich um lediglich 13,7 Milliarden US-Dollar statt um die angekündigten 22,6 Milliarden Dollar steigen. „Während die ersten sieben Zielen die armen Länder zu zahlreichen Aufgaben verpflichten, ist für die reichen Länder nur eine einzige Aufgabe konkret beschrieben: den Topf der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit auszubauen. Wird nicht einmal diese Verpflichtung erfüllt, entsteht ein Vertrauensproblem in der globalen Partnerschaft”, sagt Abugre. 

Das Geld für die Entwicklungsländer wird dringend benötigt. Die aktuelle Wirtschaftskrise darf keine Ausrede der Industrieländer sein, ihre Entwicklungshilfe zurück zu fahren. „Gerade wegen der Wirtschaftskrise - die die reichen Nationen verursacht haben - müssen mehr finanzielle Mittel für den Kampf gegen Armut bereitgestellt werden”, fordert Renée Ernst, Beauftragte für die deutsche UN-Millenniumkampagne. Nachdem bereits der Boom der Lebensmittelpreise 2005 bis 2008 die Situation der Ärmsten verschlimmerte, sanken zusätzlich 2009 deren Einkommen. Die Zahl der Unterernährten ist nach 2008 schneller gestiegen, allerdings sank die Zahl der unterernährten Kinder. Die Wohlhabenden dagegen haben die Wirtschaftskrise unbeschadet überstanden, wie der Welt-Vermögens-Bericht 2010 von der Beratungsfirma Cap Gemini und der Investmentbank Merrill Lynch belegt. Dieser und der MDG-Bericht gelangten am gleichen Tag an die Öffentlichkeit. Die Reichen und Superreichen sind nach dieser Studie so vermögend wie im Vorkrisenjahr 2007. In Südamerika und Asien ist ihr Reichtum sogar gewachsen.  

„Ohne die Wirtschaftskrise hätte Afrika das erste Millenniumsziel, die Zahl der Menschen in extremer Armut zu halbieren, erreicht. Vielleicht nicht bis 2015, aber etwa drei Jahr später schon.” Davon hat sich Abugre durch eine wissenschaftliche Studie der Stanford University überzeugen lassen. Tatsächlich erwarten die Autoren des Berichts einen Rückgang der Zahl der Menschen in Entwicklungsländern, die mit weniger als 1,25 Dollar am Tag leben müssen, auf 15 Prozent bis 2015. Durch neue Daten über die Preisentwicklung in den Entwicklungsländern hat die Weltbank die Armutsgrenze vergangenes Jahr von einem auf 1,25 US-Dollar angehoben. Im Ausgangsjahr 1990 musste knapp die Hälfte der Bevölkerung in Entwicklungsländern mit so wenig Geld auskommen, 2005 27 Prozent. 

Währenddessen weitere Fortschritte im Bereich Gesundheit zu sehen sind, ist die Staatengemeinschaft weit entfernt von ihrem Ziel der ökologischen Nachhaltigkeit. Entwaldung und Treibhausgasemissionen nehmen weiter zu. Viele Länder des Südens sind bereits heute besonders vom Klimawandel betroffen. Auch hier spielt die Frage nach globaler Gerechtigkeit eine wichtige Rolle und wird Thema eines weiteren UNO-Gipfels in diesem Jahr sein. Im Dezember werden alle Regierungschefs über ein neues Klimaschutzabkommen debattieren. Aus Sicht von Charles Abugre sollen es sich die Industrienationen nicht zu einfach machen und lediglich Geld für Anpassungsmaßnahmen versprechen. „Die Entwicklungsländer sind davon abhängig, dass die Industrieländer weniger CO2 ausstoßen. Sie haben aber keine Druckmittel, dies durchzusetzen.” Ein paar Karten im Poker um einen Nachfolgevertrag des Kyoto-Protokolls haben die Entwicklungs- und Schwellenländer durchaus noch in der Hinterhand. Diese werden sie vielleicht auch spielen, wenn die Industrienationen bereits beim G8-Gipfel und beim Sondergipfel zu den Millenniumszielen ihren Kooperationswillen bekräftigen.   


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